Vor fast exakt zwei Jahren sorgte ein kleines Vampir-Spielchen mit seinem Early-Access-Release für Furore. Schon wenige Tage später hatten die Entwickler der Stunlock Studios bereits 500.000 Exemplare verkauft und der Hype um das Vampir-Action-Survival-Rollenspiel war groß. Am 8. Mai entsteigt V Rising nun endlich dem Entwicklungs-Sarg und zeigt mit Version 1.0 die Zähne.
Vom ersten Augenblick an wird deutlich: Die lange Early-Access-Phase scheint V Rising richtig gutgetan zu haben. Gerade als Neueinsteiger fühlt sich Version 1.0 nicht wie ein überhasteter Release an, der ohne Day One Patch noch kaum spielbar ist, sondern dank zwei Jahren Updates und Patches absolut ausgereift und gut durchdacht.
Jetzt V Rising zu spielen, ist ein bisschen wie viel zu spät auf einer Party zu erscheinen, auf die man eigentlich keinen Bock hatte. Nur stellt man bei der Ankunft fest, dass es eine Hüpfburg gibt, Gordon Ramsay persönlich das Buffet stemmt und Taylor Swift zusammen mit Lionel Messi Karaoke singt. Geil, dass ich das erleben darf, aber hätte ich das vorher gewusst, dann wäre ich schon viel früher hier gewesen!
Auch wenn es grafisch mit seiner isometrischen Ansicht und der düsteren Fantasy-Atmosphäre zunächst stark an Diablo erinnert, ist V Rising eher mit Survival-Spielen wie Palworld oder Rust verwandt. Nach einem jahrhundertelangen Schlaf entsteigt ihr als durstiger Vampir eurem Sarg und stellt fest, dass sich die Welt während eures Nickerchens massiv verändert hat.
Die Blutsauger wurden von den Menschen fast ausgerottet, und der mächtigste Vampir ist aktuell dieser arrogante Emporkömmling Dracula. Also macht ihr euch daran, eure frühere Macht wiederherzustellen, die Menschen zu versklaven und Dracula zu stürzen. Was aber nach krasser Story klingt, ist eigentlich nur Hintergrundrauschen. Im Vordergrund steht erstmal euer Überleben und euer größter Feind ist zu Anfang kein vampirjagender Priester oder Dracula, sondern eine viel elementarere Gefahr …
Bis(s) zum Morgengrauen
Vampire und Mallorca-Urlauber fürchten sie gleichermaßen: die Sonne! Wo bei den Urlaubern ein Sonnenstich aber schon zum Schlimmsten zählt, was passieren kann, nehmen Vampire das mit dem “Sonnenbrand” wesentlich wörtlicher. Haltet ihr euch nämlich länger als ein paar Sekunden im hellen Licht auf, geht ihr einfach in Flammen auf. Dummerweise herrscht in V Rising ein ganz normaler Tag-Nacht-Zyklus und auch wenn die Nacht für gewöhnlich ein wenig länger ist als der Tag, könnt ihr euch nicht endlos Zeit lassen beim Erkunden der Welt.
Gerade, wenn ihr auf der Suche nach bestimmten Rohstoffen oder einem speziellen Gegner seid, kann es leicht passieren, dass ihr vom Tageslicht überrascht werdet und es nicht mehr rechtzeitig in euren Unterschlupf schafft. Das sorgt gerade zu Beginn für ordentlich Panik und kann richtig nervig werden, aber als Gameplay-Mechanik ist es eigentlich ziemlich genial.
Im Mondschein fühlt man sich als Vampir wie eine Art Raubtier: an Gegner anschleichen, aus dem Nichts zuschlagen und wieder verschwinden. Plant man seine Raubzüge aber nicht richtig, bricht der Tag an und auf einmal seid ihr extrem schwach und verwundbar. Je nach Situation kauert ihr dann entweder in irgendeiner Hütte und müsst abwarten oder ihr versucht euch vom Schatten eines Baumes, zum nächsten Busch, zu einer schützenden Ruine bis nach Hause zu stehlen. Ganz schön erniedrigend für so ein Raubtier.
Zwei Zimmer, Küche, Sarg
Um euch zwischen den Kämpfen wieder zusammenzuflicken und euch vor der garstigen Sonne zu verstecken, braucht es also einen Unterschlupf. Aber wer will schon in lausigen Zelten am Wegesrand oder in einem Arbeitslager für kleine bewaffnete Monster wohnen, wenn man stattdessen auch ein angemessenes Vampirschloss haben kann? Also schnell ein paar Bäume gefällt, Steine gesammelt, ein Stückchen Land gesichert und losgelegt mit dem Eigenheim. Wo ihr anfangs noch auf ein paar windschiefe Palisaden und eine schlichte Holzkiste als Sarg zurückgreifen müsst, steht mit etwas Mühe schon bald ein beeindruckender Prachtbau.
Tatsächlich hat die Vampirbude nicht viel mit den klobigen Bauten aus Minecraft oder den nach Dinokacke riechenden Hütten aus Ark gemeinsam. Stattdessen protzt euer Schloss im gotischen Stil mit Spitzbogenfenstern, verspielten Brunnenanlagen und riesigen beeindruckenden Statuen. Hier einen Kerzenleuchter hingestellt, da noch ein Gemälde und im Thronsaal fehlen noch burgunderrote Teppiche. Dem Einrichtungstraum sind keine Grenzen gesetzt, zumindest wenn ihr von prunkvollen Schlössern mit hohem Gruselfaktor träumt.
Ich habe etliche Stunden allein damit zugebracht, es mir in meinem Schloss gemütlich zu machen, Werkstätten eingerichtet, mein Alchemie-Labor bestückt und meinen Thronsaal ausstaffiert. Daher an der Stelle noch ein kleiner Einrichtungstipp aus eigener Erfahrung: Wenn man durch Sonnenlicht in Flammen aufgeht, sind bodentiefe Fenster eine richtig dumme Idee. Aber wenn ihr schon die Aussicht nicht genießen könnt, dann wäre ja eine hübsche Sargsammlung für ein paar Dienervampire vielleicht etwas für euch, oder ihr stellt ein paar Käfige auf, nehmt Dorfbewohner gefangen und sichert euch so einen kleinen Snack für schlechte Zeiten.
Ich trinke niemals … Wein!
Wo ihr in vergleichbaren Survival-Games nämlich immer ein Auge auf eure Hunger-, Wasser- oder Temperatur-Leiste werfen müsst, zeigt sich V Rising eher entschlackt. Als Vampir gelüstet es euch nicht nach Butterbrot und Softdrink, sondern natürlich einzig und allein nach Blut. Schwächt ihr einen Gegner im Kampf genug, erhaltet ihr die Möglichkeit, eure spitzen Zähne in seinen Hals zu schlagen und euch an ihm gütlich zu tun.
Je nachdem wessen Blut dann durch eure Adern fließt, erhaltet ihr unterschiedliche Buffs. Nuckelt ihr zum Beispiel einen NPC aus, der über Kriegerblut verfügt, werdet ihr stärker und eure Angriffe richten mehr Schaden an. Je reiner das Blut, desto höher fallen die entsprechenden Boni aus.
Da ihr immer nur die Vorteile eures letzten ausgesaugten Opfers behaltet, ergeben sich ausgefuchste taktische Möglichkeiten. Steht ihr zum Beispiel vor einem Boss, der besonders hart zuschlägt, ist es von Vorteil, vorher noch einen Krieger auszulutschen. Wird aber eher schnelles Ausweichen erforderlich, dann erhöht ein kleiner Wildtier-Snack eure Bewegungsgeschwindigkeit. Das passende Blut in der richtigen Situation kann schonmal über Sieg und Niederlage entscheiden. Ein Vampir ist nun mal, was er isst!
In sanguine veritas
Während euch das Blut von 08/15-Bauern oder Räubern zwar am Leben erhält und vielleicht sogar noch ganz nette Boni mit sich bringt, braucht ihr, um ein richtiger Fürst der Finsternis zu werden, aber schon etwas Stärkeres. Verleibt ihr euch den Veneninhalt eines der Bosse ein, die über die Karte verteilt sind, gelangt ihr sogar an neues Wissen und Vampirfähigkeiten.
Habt ihr euch erfolgreich mit dem örtlichen Alpha-Wolf angelegt, erhaltet ihr zum Beispiel die Fähigkeit, euch selbst in einen Wolf zu verwandeln. Dadurch bewegt ihr euch schneller über die Karte und entkommt so leichter dem Mob, der euch mit Mistgabeln und Fackeln jagt. Ein Sieg über Rüstmeister Grayson hingegen lehrt euch die Herstellung von Wetzsteinen, und nehmt ihr nur einen Schluck vom Blut der Schneiderin Beatrice, wisst ihr sofort, wie Garn gesponnen und Stoff gewebt wird.
Auch Kenntnisse über neue Ausrüstungsgegenstände und deren Herstellung zieht ihr aus dem Boss-Blut, was zu komischen Situationen führen kann. Habt ihr die stärkste Rüstung und die besten Waffen, die ihr im Moment bauen könnt, kann es trotzdem passieren, dass ihr den Boss nicht schafft, der euch eigentlich die nächstbessere Ausrüstung freischalten würde. Die Kämpfe gegen die Bosse sind nämlich teilweise ziemlich knackig und da eure Ausrüstung das einzige ist, was eure Stärke im Kampf bestimmt, findet ihr euch schnell in einer Sackgasse wieder.
In solchen Situationen entwickelt V Rising fast schon die Züge eines Soulslike. Um weiterzukommen, seid ihr dazu gezwungen, die Angriffsmuster der Bosse auswendig zu lernen und eure Skills zu beherrschen. Da V Rising nämlich über kein Level-System verfügt, sondern sich eure Stärke im Kampf ausschließlich durch die Ausrüstung definiert, die ihr am Leib tragt, hilft im Gegensatz zu Bloodborne und Konsorten auch sämtliches Grinden und Leveln nichts. Entweder ihr kommt mit dem klar, was ihr habt, oder euer Aufstieg zum Vampir-Herrscher ist an dieser Stelle schlicht vorbei.
Das “V” in PvP steht für “Vampir”
Dankenswerterweise bietet V Rising eine ganz Menge an verschiedenen Modi und Einstellungsmöglichkeiten, um das Spiel an die eigenen Bedürfnisse (und den eigenen Skill) anzupassen. Solo-Blutsauger werden zwar auch ihren Spaß haben und können sich ihr Spiel so konfigurieren, wie sie möchten, das volle Potenzial entfaltet V Rising allerdings erst im Multiplayer.
Darin baut ihr nämlich zusammen mit euren Freunden gemeinsam an eurer Vampir-Karriere (und eurem Schloss) oder begebt euch mit bis zu 60 Fangzahnträgern gleichzeitig auf einen PvP-Server. Da wird dann aus dem gemütlichen Ausnuckeln von hilflosen Dorfbewohner plötzlich ein harter Kampf um Ressourcen und Bauplätze. Einmal nicht aufgepasst, und schon liegt in eurem ehemaligen Sarg ein anderer Schlossherr.
>> Die besten Beißer: Top 10 Vampir-Spiele <<
Am 8. Mai rollt Stunlock Studios Version 1.0 von V Rising auf dem PC aus. Eine Fassung für PS5 ist irgendwann für dieses Jahr geplant, einen genauen Termin gibt es dafür allerdings noch nicht.